Auto-Abos: Vorreiter des automobilen Onlinehandels

München – Das eigene Auto im Abo – wie eine Zeitung, Software oder ein Fitnessstudio? Was noch vor wenigen Jahren als gewagte Idee galt, hat sich in Deutschland etabliert: Jeder dritte Deutsche zeigt an einem Auto-Abonnement Interesse, jeder siebte hat es schon genutzt. Laut einer Umfrage der Strategieberatung Oliver Wyman schätzen Kunden neben der flexiblen Rückgabe­möglichkeit auch die reibungslose Onlineabwicklung. Gebrauchtwagen kommen im Abo-Modell ebenfalls gut an. Die Erkenntnisse können Hersteller nutzen, um ihren gesamten Vertriebsprozess auf den Prüfstand zu stellen. Denn wer die Logik der Abos versteht, erkennt die Schwachstellen des klassischen stationären Autohandels und kann den Absatz insgesamt optimieren.

Der eigene Pkw als kostspielige Großanschaffung – viele Autofahrer sehen das nicht mehr ein. Flexibler Besitz lautet das Motto einer neuen Generation von Mobilitätskunden. 35 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, für eine flexible Pkw-Nutzung lieber monatlich eine Rate zu bezahlen, anstatt ein Gefährt zu kaufen – und dieses auf Dauer zu unterhalten. „Für die Hersteller entwickelt sich das Auto-Abo zu einem interessanten Absatzkanal“, sagt Joachim Deinlein, Mobilitätsexperte und Partner bei Oliver Wyman. „Auch wenn das Auto-Abo wohl kein Massenverkaufsmedium werden wird, ist es für die Industrie wegweisend, denn es offenbart wichtige Kundenpräferenzen.“ Geschätzt wird laut Oliver Wyman-Erhebung vor allem die Flexibilität der Rückgabe. Für 75 Prozent aller Interessenten ist eine Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten unattraktiv. „Es entspricht dem Zeitgeist, auch beim Auto lediglich eine kurzfristig auflösbare Bindung einzugehen“, sagt Deinlein.

Generell stoßen die flexiblen Abo-Modelle in die Marktlücke zwischen einer Kurzzeitmiete und dem Leasing, das eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren hat. Gegen eine monatliche Gebühr erhält man beim Auto-Abo ein Fahrzeug seiner Wahl aus einem definierten Pool und darf dieses in einer vorgegebenen Häufigkeit wechseln. Nebenkosten für Versicherung und Wartung fallen nicht an, lediglich den Kraftstoff zahlt man selbst.

Stabile Nachfrage

Nur in Frankreich liegt die Bereitschaft zum Auto-Abo mit 36 Prozent noch geringfügig höher als in Deutschland (35) – die USA (24) und Italien (19) liegen deutlich zurück. Eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, als in Deutschland 38 Prozent Interesse am Auto-Abo signalisierten, blieb jedoch aus. 14 Prozent haben das Abo-Modell hierzulande nach eigenen Angaben schon genutzt. Deinlein wertet die erkennbare Stabilisierung als Hinweis auf das realistische Kundenpotenzial. Unter den Interessierten deuteten immerhin 32 Prozent die Bereitschaft an, ihr gegenwärtiges Fahrzeug zugunsten eines Abo-Autos abzuschaffen. 17 Prozent könnten es sich als zusätzliches Fahrzeug vorstellen. „Auch wenn man auf eine höhere Affinität bei jungen Menschen tippen würde, zeigt sich altersmäßig ein gleichmäßiges Interesse am ‚Car as a Service‘-Gedanken“, sagt Deinlein.

Die Zahlungsbereitschaft hingegen hat gegenüber den Vorjahren abgenommen: 70 Prozent der Befragten in Deutschland wollen höchstens 300 Euro im Monat ausgeben – auch eine Folge des stärker gereiften Markts mit mehr Konkurrenz und Transparenz. „Dabei ist der Kunde aber durchaus zu Kompromissen bereit“, sagt Steffen Rilling, Co-Autor der Oliver Wyman-Analyse. So würden mehr als 80 Prozent der Befragten einen Gebrauchtwagen bei niedrigeren Kosten akzeptieren, und die Mehrheit wäre mit höchstens zwei Fahrzeugwechseln pro Jahr zufrieden. Die Experimentierfreude zeigt sich auch beim Antrieb: Ein Viertel der Befragten in Deutschland würde gerne zu einem Elektro- oder Hybridmotor greifen. „Kunden nutzen Auto-Abos auch als Möglichkeit, neue Technologien im eigenen Alltag zu testen“, sagt Rilling. Anbieter wie Fleetpool reagierten und hielten bereits mehr als zwölf Prozent Batterie- und Hybridfahrzeuge in ihrer Flotte, so Rilling.  

Wunsch nach digitaler Abwicklung

„Autohersteller sollten Auto-Abos genau im Blick behalten, um ihre Vertriebsstrategie auf den Prüfstand zu stellen“, rät Joachim Deinlein. „Die Abos sind aufgrund ihrer Flexibilität ein erstklassiger Indikator für Kundenwünsche und legen auch die bestehenden Schwächen offen.“ Schon jetzt steht für ihn fest: Auto-Abo-Modelle funktionieren dank ihres reibungslosen digitalen Bestell- und Austauschprozesses so gut. „Sie repräsentieren damit die Zukunft des automobilen Onlinehandels“, sagt Deinlein. Für 40 Prozent der Deutschen ist die komplette Digitalisierung des Einkaufs ein wichtiges Argument für Auto-Abos, zeigt die Analyse. „Wer einmal die starre Customer Journey des klassischen Automobilkaufs durchlaufen hat, erkennt die Brisanz dieser Aussage für den stationären Fahrzeugkauf im traditionellen Händler-Modell“, so Deinlein weiter. „Die typischen Showroom-Kunden sind eher die Ausnahme. Dass man in Corona-Zeiten vielerorts keine Autos mehr kaufen konnte, weil die Häuser geschlossen waren, unterstreicht die Bedeutung des Onlinekanals.“

Für die Hersteller steht viel auf dem Spiel. Wer die digitale Kundenschnittstelle frühzeitig besetzt, kann von den Wachstumschancen profitieren. Denn es tummeln sich nicht nur stark finanzierte Start-ups im Abo-Geschäft – jederzeit bereit, mit einer hohen Lifestyle-Anmutung und viel Service die Kunden­schnittstelle zu übernehmen. Auch klassische Leasinganbieter und Mietwagenfirmen stoßen mit guten Chancen in die Nische vor. Sie profitieren dabei von ihren Fähigkeiten als Flottenmanager, das komplexe Austarieren zwischen verfügbaren Kapazitäten und Kundenwünschen wirtschaftlich zu gestalten. „Viele neue Anbieter tauchen auf der Bühne auf. Und die OEMs laufen Gefahr, dass ein Intermediator sie dort nur noch indirekt Geschäft machen lässt – mit Konsequenzen für Loyalisierung und Marge“, sagt Deinlein. Es handele sich um ein spannendes Kräftemessen um Marktanteile: „Der Ausgang ist momentan noch völlig offen.“

Über die Befragung

Oliver Wyman hat im Dezember 2020 2.000 Personen zu ihren Einstellungen zu Auto-Abos befragt, davon je 500 in Deutschland, den USA, Frankreich und Italien.

Über Oliver Wyman

Oliver Wyman ist eine international führende Strategieberatung mit weltweit über 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 60 Büros in 29 Ländern. Wir verbinden ausgeprägte Branchenexpertise mit hoher Methoden­kompetenz bei Digitalisierung, Strategieentwicklung, Risikomanagement, Operations und Transformation. Wir schaffen einen Mehrwert für den Kunden, der seine Investitionen um ein Vielfaches übertrifft. Oliver Wyman ist ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC). Unsere Finanzstärke ist die Basis für Stabilität, Wachstum und Innovationskraft. Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de. Folgen Sie Oliver Wyman auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.

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