Deutschen Banken drohen Ertragseinbußen in Milliardenhöhe – aber auch neue Chancen tun sich auf

München – Eine Studie der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman, einem Unternehmen von Marsh McLennan, attestiert deutschen Banken dringenden Transformationsbedarf in komplizierten Zeiten. Das sinkende Zinsniveau, die anhaltende Wachstumsschwäche und die geopolitischen Verwerfungen werden laut „Bankenreport 2025“ die Profitabilität binnen zweier Jahre erheblich schmälern. Bis Ende 2026 sinkt der Ertragspool um rund neun Prozent – von zuletzt 156 auf 142 Milliarden Euro. Zusätzlich belasten wachsende Risikokosten die Margen der Kreditinstitute: Betrugen die Nettoerträge nach Risikokosten Ende 2024 noch geschätzte 145 Milliarden Euro, werden sie laut Studie bis 2026 auf 124 Milliarden Euro sinken – ein Minus von etwa 20 Milliarden Euro.

Trotz anhaltender Unsicherheiten und sinkender Erträge sind laut Studie Investitionen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar. Denn die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur, der Wettbewerbslandschaft und der anstehende Investitions- und Altersvorsorgebedarf in Deutschland führen bis 2035 zu massiven Strukturverschiebungen bei den Erträgen mit einem Gesamteffekt von circa 60 Milliarden Euro – das entspricht zusammengenommen etwa 40 Prozent des heutigen Nettoertragspools. Sollten keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, stehen insgesamt 29 Milliarden Euro an Bankenerträgen auf dem Spiel, während die steigenden Bedarfe ein Ertragspotenzial von bis zu 32 Milliarden Euro bieten.

Risiken drosseln, Wachstumschancen nutzen

Die Kreditwirtschaft steht so aktuell vor zwei großen Herausforderungen: sich kurzfristig wetterfest zu machen und gleichzeitig die Weichen für künftiges Wachstum zu stellen. Angesichts der strukturellen Verschiebungen bei der Kundenstruktur, Produktnachfrage sowie in Hinblick auf ein sich änderndes Finanzierungsumfeld und der angestrebten Vollendung der Kapitalmarktunion, müssen Banken ihr Geschäftsmodell entsprechend weiterentwickeln.

Nach Einschätzung der Oliver Wyman-Partner Dr. René Fischer und Alexander Peitsch haben die Kreditinstitute die strikte Kostendisziplin der Niedrigzinsphase nicht beibehalten und gleichzeitig die Ertragspotenziale zu wenig genutzt, um sich resilient aufzustellen. Als die Erträge von 2020 bis 2023 signifikant um rund 25 Prozent stiegen, befeuert durch Zinswende und stabile Kapitalmärkte, kletterten parallel auch die Kosten der Banken um zwölf Prozent. Den deutschen Banken stehen nun zwei magere Jahre bevor – als Folge der stagnierenden Wirtschaft mit steigenden Arbeitslosen- und Insolvenzquoten und höheren Risikokosten. Zudem können die leicht steigenden Provisionen einen absehbaren Rückgang der Zinserträge nicht kompensieren. Die Kennzahlen für die Kapitaleffizienz der Banken bewegen sich in Richtung eines historischen Tiefpunkts.

Kurzfristiges Gegensteuern kann gelingen

Um im aktuellen Gegenwind zu bestehen, sind Maßnahmen in vier Feldern notwendig. Die nötige Bilanzoptimierung gelingt durch proaktives Bilanzmanagement und Fungibilität sowie eine verbesserte Steuerung und Bepreisung der Einlagen. Es gilt zudem, das Geschäftsportfolio gezielt dort zu stärken, wo echter Mehrwert über Skalierung und Kapitalrendite entsteht. Aktives Risikomanagement und innovative Frühwarnsysteme drosseln das täglich wachsende Risiko von Kreditausfällen. Schließlich müssen Banken ihre Prozessautomatisierung über eine konsequente Digitalisierung inklusive KI-Einsatz steigern und zugleich die Service- und Vertriebsqualität erhöhen.

Diese taktischen Anpassungen werden jedoch nicht reichen, um die gravierenden langfristigen Umwälzungen zu meistern, stellen die Oliver Wyman-Experten klar. Vor allem der Strukturwandel der deutschen Industrie und deren verstärkte Auslandsaktivitäten verändern das Firmenkundengeschäft. Dies zwingt Banken zur Modernisierung, zum Ausbau künftig gefragter Fähigkeiten und zur Schärfung ihres Geschäftsmodells. Erschwerend hinzu kommt neuer Wettbewerb durch FinTechs und Anbieter aus dem privaten Kapitalmarkt, sogenannte Schattenbanken.

Struktureller Wandel erfordert neue Zielbilder

Vier Hauptfaktoren bestimmen langfristig über Risiken und Chancen: Erstens sinkt die industrielle Wertschöpfung in Deutschland bis 2035 infolge hoher Lohn- und Energiekosten. Damit schwindet die Bedeutung lokaler Ausrüstungsinvestitionen und Arbeitsplätze. Die Abwanderung von Investitionen der Unternehmen ins Ausland und Tendenzen zur Konzentration zwingen Banken zu stärkerer internationaler Vernetzung. Die Banken müssen künftig eine gewisse Mindestgröße, Kapitalkraft und Leistungsfähigkeit aufweisen, um größere Kreditvolumina zu bewältigen. Andernfalls drohen Einbußen von bis zu 14 Milliarden Euro bis 2035.

Als zweite Baustelle identifiziert die Studie die erstarkende Konkurrenz durch digitale Angreifer und Schattenbanken, deren Anteil am Finanzvermögen bis 2035 laut Prognose auf ein Fünftel steigen kann. Da jüngere, digitalaffine Kunden zudem oft FinTechs bevorzugen, droht ein rasanter Bedeutungsverlust traditioneller Banken gegenüber Neobanken, FinTechs sowie bankunabhängigen Payment-Service-Providern. Bis 2035 stehen hier in Summe bis zu 15 Milliarden Euro an Erträgen auf dem Spiel.

Der dritte Zukunftsimpuls wirkt positiv: Der Investitionsbedarf in Deutschland, etwa in den Bereichen Verkehr, digitale und Energieinfrastruktur, sowie die gezielte Stärkung von Zukunftsbranchen wie Pharma und IT, bieten Banken die Chance, vom Wandel der Wirtschaft zu profitieren. Eine hohe Fungibilität sowie moderne und flexible Bilanzsteuerungsansätze – inklusive neuer Partnerschaften beispielsweise mit Private-Credit-Anbietern oder Asset-Managern – werden hierfür entscheidend sein. Banken müssen dafür allerdings ihre Risikobewertungsmodelle anpassen und neue Beratungskompetenzen erwerben. Das Ertragspotenzial liegt laut Studie bei bis zu 20 Milliarden Euro.

Viertens wird die zunehmend erkennbare Altersvorsorgelücke zu einer verstärkten privaten Vorsorge führen, was ein längerfristiges Sparverhalten zur Folge hat und damit risikoreichere Anlagen in Wertpapiere unterstützt. Das Ertragspotenzial auch mit Blick auf die Vermögensberatung der Erbengeneration, liegt laut Studie bei zusätzlichen zwölf Milliarden Euro.

Um sich zukunftsfest aufzustellen, empfiehlt Oliver Wyman die Festlegung auf ein klar definiertes „Bankmodell der Zukunft“. Die Studie benennt fünf Archetypen mit hohen Erfolgschancen und klarer Abgrenzung: Pan-Europäische Universalbank, Deutsche Transformationsbank, Regionaler Finanzplayer, Digitaler Champion sowie Spezialbank, die sich auf Wealth und Asset Management und Immobilien fokussiert. Welcher Archetyp passt, hängt wesentlich vom bereits beschrittenen Pfad ab.

Dr. René Fischer, Partner und Leiter der Financial Services Practice von Oliver Wyman in Deutschland:

„Banken haben in den vergangenen drei Jahren nur einen Teil ihrer Hausaufgaben gemacht. Im Aufschwung wurden die Ertragspotenziale nicht genutzt, um sich resilienter aufzustellen und gezielt Stärken zu skalieren. Dabei stehen bis zum Jahr 2035 rund 40 Prozent des Ertragspools zur Disposition.“

„Um beim Geschäftsmodell umzusteuern, braucht es eine klare Standortbestimmung, ein Zielbild und korrespondierende Handlungsbedarfe zur Transformation. Wer sich beispielsweise langfristig nach dem Leitbild der Deutschen Transformationsbank aufstellt, um die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte zu stemmen, braucht besondere Kompetenzen zur dynamischen Bilanzsteuerung und ein gutes Netzwerk zu Investoren. Wer sich hingegen als Digitaler Champion positioniert, muss kostengünstig ein breites Spektrum von Bedürfnissen abdecken und eine hohe Kundenloyalität erreichen.“

Alexander Peitsch, Partner Financial Services Oliver Wyman:

„2025 und 2026 werden deutsche Banken stärkeren Gegenwind spüren: Die makroökonomische Eintrübung und sinkenden Zinsen lassen den Ertragspool schrumpfen, die steigenden Risikokosten drücken zusätzlich auf die Profitabilität. Daher müssen Banken rasch ihre Bilanzen und Portfolios optimieren, bessere Frühwarnsysteme installieren und über Digitalisierung auch Kosten sparen.“

„Deutsche Kreditinstitute dürfen sich nicht begnügen mit kurzfristigen Reaktionen. Die Finanzbranche ist konfrontiert mit strukturellen Veränderungen, die unterschwelliger laufen, aber erhebliche Sprengkraft besitzen. Wer heute die langfristigen Trends ignoriert, kann in fünf Jahren nur noch schwer gegensteuern.“

Über Oliver Wyman 

Oliver Wyman, ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC), ist eine weltweite Strategieberatung, die fundierte Branchenkenntnisse mit spezialisiertem Fachwissen kombiniert, um Kunden bei der Optimierung ihrer Geschäfte, der Verbesserung ihrer Abläufe und der Steigerung ihrer Leistung zu unterstützen. Marsh McLennan ist weltweit marktführend in den Bereichen Risiko, Strategie und HR und berät mit seinen vier Unternehmen MarshGuy CarpenterMercer und Oliver Wyman Kunden in 130 Ländern. Mit einem Jahresumsatz von 24 Milliarden US-Dollar und mehr als 90.000 Mitarbeitenden bringt Marsh McLennan verschiedene Perspektiven zusammen und unterstützt Kunden dabei, ihre Ziele zu erreichen. Für weitere Informationen besuchen Sie uns auf oliverwyman.com und folgen Sie uns auf LinkedIn und X.

Pressekontakt:
Aleksandar Nikolov
T: +49 152 54560089
E:
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