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Die Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung stehen vor ihrer bisher größten Transformation. Sie bietet Chancen, zugleich gibt es aber auch enorme Herausforderungen. Denn der Wandel zu einer nachhaltigen Produktion und CO2-Neutralität erfordert neben Innovationen vor allem auch erhebliche Investitionen. Allerdings sind die Finanzierungskosten gestiegen, und Banken berücksichtigen bei der Kreditvergabe zunehmend ESG-Kriterien. All dies trifft die Branche in Zeiten von Inflation und Arbeitskräftemangel – und schafft zusammengenommen ein Krisenpotenzial, das alternative Lösungsansätze erforderlich macht.


Die grüne Transformation trifft die deutsche Industrie in einer wirtschaftlichen Schwächephase: Die Ökonomen des ifo-Instituts rechnen damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 nur um 0,2 % steigt. Gleichzeitig lagen die Inflationsraten im Euroraum im Jahr 2023 im Durchschnitt bei 6 %. Die gestiegenen Kosten für Rohmaterialien und Energie belasten die Unternehmen und haben sich, trotz eines zwischenzeitlichen Rückgangs, im Vergleich zu 2019 auf einem hohen Niveau stabilisiert. (Siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung der Rohstoffpreise
Bei vielen Rohstoffen sind die Preise im letzten Jahr gesunken, aber noch nicht auf das Niveau vor der COVID-19-Krise
Quelle: Oliver Wyman Analyse basierend auf Refinitiv Datastream und Daten der European Energy Exchange

Hinzu kommen der seit 2022 beschleunigte Anstieg der Lohnkosten und die Forderungen der Gewerkschaften nach höheren Löhnen (+8,5 %) und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgeltausgleich. Doch diese Forderungen werden durch den zunehmenden Mangel an Fachkräften untermauert. Während das industrielle Gewerbe im letzten Quartal 2020 rund 125.000 offene Stellen verzeichnete, lag die Zahl im 4. Quartal 2023 bereits bei mehr als 200.000. Zudem sind auch die Finanzierungskosten für Unternehmen im Jahr 2023 stark angestiegen, da die Europäische Zentralbank den Hauptrefinanzierungssatz innerhalb von nur 12 Monaten um 4,5 % erhöhte.

Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung

Insbesondere die Entwicklung der Energiekosten bedroht die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Diese sind nicht nur in den letzten Jahren signifikant gestiegen; sie liegen zudem deutlich über denen in anderen europäischen Staaten und den USA.

Gleichzeitig erfordern CO2-Reduktionsziele hohe Investitionen, die aufgrund der (noch) fehlenden Zahlungsbereitschaft der Kunden für „grüne“ Produkte zumindest mittelfristig nicht für höhere Gewinne sorgen. Dies hat weitreichende Implikationen für Unternehmen der Stahl und Metallverarbeitung, deren operative Margen (EBIT) in den letzten Jahren im Durchschnitt bei rund 4 % lagen.

Zusammenarbeit mit klassischen Finanzierern wird schwieriger

Inmitten dieser Entwicklungen steht die bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit der deutschen Industrie und ihren Banken zunehmend unter Druck. Festmachen lässt sich das insbesondere an höheren Finanzierungskosten sowie an strikteren Finanzierungsbedingungen. Die Finanzierer fordern umfangreichere Sicherheiten, kürzere Laufzeiten und restriktivere Vertragsbedingungen (Covenants).

In einer von Oliver Wyman durchgeführten Studie geben 87 % der befragten Banken an, dass ESG-Kriterien bei ihrer Kreditvergabe eine Rolle spielen. Für 39 % ist die Einhaltung von ESG-Kriterien sogar ausschlaggebend (Ausschlusskriterium). Neben den ESG-Kriterien der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) haben Banken eigene Ausschlusslisten definiert, welche Branchen sie künftig nicht mehr unterstützen. Zusätzlich haben bereits mehr als 70 % der befragten Kreditinstitute sektorspezifische Reduktionsziele für Kreditvergaben definiert; bis Ende 2024 wird dieser Anteil auf 95 % steigen.

Lösungsansätze für die Finanzierung der grünen Transformation

Um die vielfältigen Herausforderungen in (Re-)Finanzierungsprozessen zu lösen, müssen stabile wirtschaftspolitische Rahmenbedingen geschaffen werden. Gerade in der „klassischen“ Industrie sind Unternehmen mit dem Problem konfrontiert, dass die grüne Transformation mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden ist, diese gleichzeitig aber keine höheren Einnahmen garantieren. Im internationalen Wettbewerb finden sich deutsche Unternehmen daher in einer Zwangslage wieder: Sie müssen einerseits die grüne Transformation finanzieren und andererseits im Preiswettbewerb mit ausländischen Anbietern konkurrieren, welche zum Teil mit geringeren Standards produzieren. Hier sollte daher die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen beziehungsweise ändern, um den aktuell bestehenden strukturellen Standortnachteil zu kompensieren.

Konsequente Optimierung der heutigen Strukturen

Zugleich darf sich die Industrie nicht auf eine plötzliche Veränderung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verlassen. Vielmehr sollte sie aktiv die eigene Transformation vorantreiben.

Unternehmen müssen ihre eigenen Strukturen optimieren und ihre Standorte an veränderte Marktanforderungen wie zum Beispiel den US Inflation Reduction Act und Nachfrageverschiebungen anpassen. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist Transparenz auf Vollkosten und die Profitabilität je Kunde, Produkt und Technologie erforderlich. Zudem müssen Reporting-Strukturen geschärft werden, um Planabweichungen und defizitäre Geschäftsbereiche frühzeitig zu erkennen. Basierend darauf sollten die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit definiert und anschließend konsequent umgesetzt werden. Das kann im Einzelfall auch heißen, dass sich Unternehmen von unprofitablen Produkten oder Kunden trennen müssen.

Kritische Prüfung der Geschäftsmodelle und zukunftsfähige strategische Ausrichtung

Für den Dialog mit Finanzierern muss das Geschäftsmodell klar kommuniziert und eine überzeugende Strategie zur (grünen) Transformation aufgezeigt werden. Die Unternehmensstrategie muss den Aspekt der Nachhaltigkeit miteinschließen, was vor allem den „Transition Plan“, sprich die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, betrifft. Daneben kann es erforderlich sein Wertschöpfungsketten anzupassen, indem Unternehmen zum Beispiel grünen Stahl einkaufen oder etwa erdgasbetriebene Öfen durch wasserstoffbetriebene Öfen ersetzen.

Ferner ist bei einer Neuausrichtung des Produktportfolios wichtig, dass kurzfristige Überlegungen wie zum Beispiel die Auslastung bestehender Werke nicht die langfristig notwendigen Maßnahmen blockieren. Unternehmen benötigen in dieser Zeit Finanzpartner mit der Bereitschaft, auch bei temporär negativen Entwicklungen weiter zu finanzieren – zum Beispiel durch flexiblere Covenants.

Nutzung neuer Finanzierungsoptionen

Der erschwerte Zugang zu Kapital kann erfordern, dass Unternehmen alternative Finanzierungsoptionen außerhalb der deutschen Bankenlandschaft sowie die Nutzung zusätzlicher Finanzinstrumente prüfen. Neben ausländischen Banken schließt dies auch die Zusammenarbeit mit privaten Investoren (Equity & Debt) ein. Dies führt jedoch gegebenenfalls dazu, dass sich Unternehmen hierfür auf veränderte Reporting- und Audit-Anforderungen (zum Beispiel IFRS statt HGB) umstellen und auf ein Mitspracherecht der alterativen Finanzierer einstellen müssen.

Dies stellt insbesondere kleine und weniger international aufgestellte Organisationen sowie zum Teil auch Familienunternehmen vor neue Herausforderungen. Die Rolle des kaufmännischen Geschäftsleiters (Chief Financial Officer) wird hierdurch prominenter, und die Anforderungen an diese Rolle steigen künftig. War der CFO in der Vergangenheit oft nur für die Finanzierung zuständig, so bestimmt er heute aktiv die Unternehmensstrategie und strategische Entscheidungen mit, die stark von den finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens abhängen.

Finanzierung wird sich verändern, Unternehmen müssen sich vorbereiten

Die Finanzierung der grünen Transformation ist eine komplexe Aufgabe, die Unternehmen und Finanzierer vor große Herausforderungen stellt. Durch einen konsequenten Fokus auf Profitabilität und eine klare strategische Ausrichtung können Unternehmen jedoch die Basis für eine Finanzierbarkeit der Transformation schaffen. Wichtig ist, dass entsprechende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die helfen, diese Transformation zu flankieren.
 

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